Schweigegeldprozess gegen Trump34 Anklagepunkte, 22 Zeugen, ein historisches Urteil
Was warf die Staatsanwaltschaft dem Ex-Präsidenten vor? Worüber genau mussten die Geschworenen entscheiden? Wie geht es weiter? Die Antworten auf die wichtigsten Fragen.
- X.com
- Messenger
- Messenger
Der erste Strafprozess der US-Geschichte gegen einen früheren Präsidenten endet damit, dass Geschworene zum ersten Mal einen ehemaligen US-Präsidenten schuldig sprechen: Sie sehen es als erwiesen an, dass Donald Trump die Schweigegeldzahlung an die ehemalige p*rnodarstellerin Stormy Daniels vertuscht hat. Trump nahm das Urteil äußerlich ungerührt hin.
Worum ging es genau?
Angelpunkt der Anklage war eine Schweigegeldzahlung von 130.000 Dollar an die ehemalige p*rnodarstellerin Stormy Daniels, die 2006 eine Affäre mit Trump gehabt haben will (was dieser dementiert). Trumps damaliger Chefanwalt Michael Cohen überwies ihr die Summe aus eigener Tasche kurz vor den Wahlen 2016. Laut Anklage zahlte ihm Trump das Geld später zurück, mit monatlichen Schecks, die in den Büchern als »Anwaltsvorschuss« deklariert waren. Das Schweigegeld, dessen Vertuschung und die Fälschung von Geschäftsunterlagen sind aber erst dann illegal, wenn sie einer anderen Straftat dienen. Eine solche Straftat wäre die Beeinflussung des Wahlergebnisses 2016.
Was geschah während des Prozesses?
Insgesamt traten 22 Personen in den Zeugenstand, 20 davon für die Anklage. Stormy Daniels beschrieb detailliert ihre mutmaßliche Affäre mit Trump in einer Hotelsuite in Nevada. Michael Cohen beschrieb einen Geheimplan, Daniels auszuzahlen, um politischen Schaden zu verhindern. David Pecker, der Ex-Verleger des Klatschblatts »National Enquirer«, enthüllte, wie die Zeitung ab 2015 Berichte erfand, um Trump zu helfen, und belastende Geschichten vom Markt kaufte (»catch and kill«). Die Staatsanwaltschaft legte Hunderte Indizien vor: E-Mails, Chatnachrichten, Fotos, Videos, Telefonate. Hinzu kamen die besagten Schecks an Cohen, mit krakeligem Filzstift von Trump unterzeichnet. Als wichtigstes Beweisstück präsentierte die Anklage eine handschriftliche Notiz von Allen Weisselberg, Trumps Ex-Finanzchef, auf der die Zahlungen an Cohen vermerkt waren.
Wie lief das Plädoyer der Staatsanwaltschaft?
Staatsanwalt Joshua Steinglass beschrieb die Vertuschung der Schweigegeldzahlung als »Betrug«, der die Demokratie untergraben habe, was 2016 womöglich mit zu Trumps Wahlsieg geführt habe. Daniels’ Aussage habe bewiesen, wie peinlich Trump die Episode bis heute sei: »Stormy Daniels ist das Motiv.« Steinglass räumte ein, dass Cohen ein notorischer Lügner sei, erinnerte die Geschworenen aber daran, dass dieses Verfahren nicht von Cohen handele: »Es handelt von Donald Trump.« Dessen Schuld ergebe sich auch aus allen anderen Aussagen und einem »Berg an Beweisen«.
Was hielt die Verteidigung dagegen?
Trump habe »keine Straftaten begangen«, begann Anwalt Todd Blanche sein kürzeres, gut dreistündiges Plädoyer. Es gebe »berechtigte Zweifel« an einem Schuldspruch. Sein Hauptargument: Cohen, der Kronzeuge der Anklage, sei ein pathologischer Lügner. »Cohen hat Sie belogen!«, rief er den Geschworenen mehrmals zu. Das Schweigegeld für Daniels sei Cohens alleinige Idee gewesen, und er sei dafür mitnichten heimlich entschädigt worden. Die Schecks seien vielmehr Cohens monatliches Anwaltshonorar gewesen. Blanche wiederholte Trumps Dementi der Affäre. Trump sei von Daniels erpresst worden, und es gehöre nun mal zu einem normalen Wahlkampf, negative Schlagzeilen zu unterdrücken.
Was passierte bei den Beratungen der Jury?
Die zwölf Geschworenen berieten seit Mittwoch hinter verschlossenen Türen. Die Klageschrift enthielt 34 Anklagepunkte, über die sie einzeln abstimmen mussten – in jedem einzelnen stimmten sie einstimmig für schuldig.
Die sieben Männer und fünf Frauen hatten zwischendurch eine Nachricht an Richter Juan Merchan geschickt und unter anderem um bestimmte Passagen aus der Aussage von zwei Zeugen gebeten, die sie noch einmal vorgelesen bekommen wollten.
Wie geht es jetzt weiter?
Richter Merchan legte die Verkündung des Strafmaßes für den 11. Juli fest. Trump droht eine mehrjährige Freiheitsstrafe, die auch zur Bewährung ausgesetzt werden könnte, oder eine Geldstrafe. Das mögliche Strafmaß reicht bis zu vier Jahre Gefängnis und bis zu 5000 Dollar Geldstrafe – pro Anklagepunkt. Theoretisch drohen Trump also 136 Jahre Haft und 170.000 Dollar Strafe. Normalerweise würden die 34 Haftstrafen aber parallel verbüßt werden (also maximal vier Jahre). Da Trump als »Ersttäter« gilt und es um keine Gewalttat geht, halten die meisten Experten eine Haftstrafe ohnehin für unwahrscheinlich.
Trump kann Berufung einlegen – und selbst bei einer rechtskräftigen Verurteilung bei der Präsidentenwahl im November antreten.
Teilen Sie uns Ihre Meinung mit!
Was ist mit den anderen Verfahren gegen Trump?
Drei weitere Strafverfahren gegen Trump sind anhängig, in Washington, Florida und Georgia. Sonderermittler Jack Smith wirft Trump Aufhetzung zum US-Kapitolsturm und Mitnahme von Geheimdokumenten vor, während Trump in Atlanta auf Bezirksebene angeklagt ist, wegen Teilnahme an einer dortigen Verschwörung zum Wahlbetrug 2020. Alle drei Fälle liegen jedoch aus unterschiedlichen Gründen vorerst auf Eis. Sollte Trump vorher wiedergewählt werden, könnte er Smith feuern, da dieser dem Justizministerium untersteht. In Atlanta kämpft Bezirksstaatsanwältin Fani Willis nach einer kontroversen Liebesaffäre gegen Vorwürfe der Parteilichkeit – und muss sich im November ihrerseits den Wählern stellen.
pit/otr/dpa